Handpans und Seifenblasen haben mehr gemeinsam als man glauben möchte…

Vergängliche Schwingungen

Warum nur schmiegen sich die Seelen mancher Menschen so gerne an so etwas rundes, metallenes, das singt wenn man es berührt? Ist es bei genauerer Betrachtung nicht auch irgendwie traurig? Ist es nicht kalt, hart, tot und noch dazu groß und sperrig?

Wie es da liegt und so viel Platz einnimmt. Nur ein weiterer Gegenstand in einer endlos von Gegenständen verseuchten Welt.

Ist daran irgendwas biologisch oder nachhaltig? Nein, es ist noch dazu nitriertes Blech, ein Höllenprozess voller Ammoniak, Stickstoff und Kohlenstoff, ein Ursuppen Gasgemisch. Es werden mit der Kraft der Elektrizität und Pneumatik und Werkzeugen Schwingungen eingearbeitet. Tote Materie wird vermeintlich zum Leben erweckt – wie bei einem Golem oder einem Frankenstein. Aber was soll der Wert davon sein? Und billig ist es auch gerade nicht- warum ist jemand bereit hart erspartes Geld dafür auszugeben?

Alle Schwingungen sind – soweit man das sagen kann – flüchtig, so wie jede Regung der Seele. Diese hier – in dem runden Stahlblech- betrügen noch dazu den menschlichen Verstand und suggerieren: ich bin eine Schwingung die bleibt und die stabil ist und vielleicht unsterblich. Man könnte ja auch sagen: So ein Unsinn. Der ganze Gegenstand ist nur ein weiterer Versuch sich an „etwas“ zu klammern das Bestand hat in einer unbeständigen Welt in der jeden Tag eine neue Revolution vonstatten geht. Möglicherweise ist es das Leben selbst, an das man sich klammern möchte. An den tiefen Wunsch nach harmonischen Zusammenhang. Die Hoffnung bzw. Illusion (je nach Blickwinkel), das alles mit allem verbunden ist und in Frieden koexistieren kann.

Warum geht jemand lieber ‘die Seele an das Handpan schmiegen’, als sich mit den nächsten Menschen im Umfeld zu beschäftigen? Wird da ein Wert gesucht, den man bei den Menschen etwa nicht findet? Oder ist es gar eine Flucht?

Ein Impuls genügt

Tja. Ein winziger Impuls und schon bin ich dankbar. Ein einfacher Rhythmus, eine einfache Melodie und schon breitet sich ein Gefühl von Wohlwollen oder Glück aus. Der Abstand zwischen den Synapsen wird weit- es entsteht ein Raum- vergleichbar wie nach einem wohltuenden Nickerchen.

Es vermag die Seele zu berühren. Es vermag sogar Leben zu ändern. Es begleitet in einer schwierigen Lebensphase. Es inspiriert. Und entlockt Fähigkeiten, die geschlummert haben. Manche sind so voller Liebe und Hingebung dafür- geradezu jede freie Minute will manch eine*r damit verbringen….

Die Hände wandern über die gekrümmte Oberfläche, die Finger tanzen über die Membrane. Eine Rhythmisierung des ganzen Systems setzt ein. Vielleicht schaltet das Gehirn sich aus. Oder schaltet es sich erst ein? Schwer zu sagen. Die Faszination geht so tief, das man die Zeit vergisst, die Nachbarn, die Probleme… und manchmal möchte man nicht mal aufstehen um zu essen oder zu trinken. Es scheint insofern legitim -so wie PANArt die Frage ja immer wieder aufwirft-  auch zu fragen, ob es nun eine Sucht ist und was da dahinter steckt.

Die Sucht nach dem Körpereigenem

Die Frage, ob es eine Droge ist, kann leicht mit Nein beantwortet werden. Es werden ja beim Spielen nur körpereigene Substanzen freigesetzt. Würde man die Instrumente als Droge klassifizieren, würde man die Nachfrage außerdem womöglich dramatisch erhöhen (also so ähnlich als würde es man generell verbieten- ein noch größerer Hype wäre wohl die Folge, den man quasi nur noch toppen könnte, in dem man behaupten würde, die Instrumente seien größer als Harry Potter, die Beatles oder Jesus). Jedenfalls: ob es süchtig macht, ist eine andere Frage.

Sehr fraglich auch, ob man es generell beantworten kann, vermutlich nicht. Bestenfalls für sich selbst kann man darüber grübeln. Vielleicht gibt es aber auch Prinzipien dahinter, oder Formen oder Ideen, die uns allen gemeinsam sind und denen wir nicht auskommen- weil sie unwiderstehlich sind- vor allem in genau dieser -so harmonischen und archetypischen- Kombination.

Während die Welt entzaubert wird und digitalisiert und die Beschleunigung so hoch ist, dass man oft gar nicht mehr im Stande ist, überhaupt einen Standpunkt einzunehmen – in dieser Welt ist ein rundes, metallenes und analoges Ding, das singt wenn man es berührt, solch ein Kuriosum, dass es vielleicht ja etwas wachruft, das geschlummert hat. Vielleicht ist es wie ein Bissen Brot für eine spirituell ausgehungerte Gesellschaft.

Ehrliche Seifenblasen

Die Seifenblase ist spätestens nach ihrem Zerplatzen auch nichts weiter gewesen, als eine flüchtige Schwingung. Ebenso erfreut sie das Publikum durch ihre Leichtigkeit und scheinbare Lebendigkeit. Sie betrügt den Verstand nicht- sie vergeht so schnell wie sie gekommen ist und erinnert mit jedem Zerplatzen an die große Vergänglichkeit. Wer sie in der Tiefe und ganz genau studiert und voller Faszination ist für die Seifenblasen Kunst, kommt sogar zu dem  Schluss, der ganze Kosmos ließe sich anhand der Seifenblase erklären. Als Laie kann ich sagen: Die Seifenblase ist ehrlich und tut nicht so, als wäre sie hier um zu bleiben. Würde sie 100 Jahre bestehen, wäre sie wohl sehr beängstigend.

Die Musik hat – vielleicht nicht unähnlich der Seifenblase– die wunderbare Eigenschaft, dass sie eine Kunstform ist, die mit der Zeit vergeht, also nicht wie ein Bild oder eine Skulptur. Allein die Musik vermag die Qualität der Zeit und Raumqualität zu „veranschaulichen“, weil sie die Zeit so erlebbar und spürbar macht. Fast jeder Mensch wird bestätigen, dass das richtige Lied zum richtigen Moment unfassbar tiefgründige Gefühle erwecken kann.

Da scheint ein tiefliegender spirituelle Hunger auf der Welt vorhanden zu sein, der etwa auch durch den Klang von Glocken, Gongs, Klangschalen – und neuerdings durch die bekannten konvexen Linsenformen mit eingestimmten Tonfeldern- geschürt oder auch genährt werden kann.

Unabhängig davon ob es als Droge deklariert werden sollte oder nicht, stellt sich die Frage: Unterstützt das Musizieren auf diesen Klangkörpern vielleicht einen Reifungs- oder Wachstumsprozess und hat daher auch gesellschaftliche Funktionen oder sogar einen bildungspolitischen Auftrag, der längst erforscht ist und nun anerkannt gehört?

seifenblasen-plopp