Sinnlichkeit und Sinnhaftigkeit

von Birgit Pestal

 

Entsprechend einiger Auffassungen aus der Ästhetik haben nicht nur bestimmte Eigenschaften eines Gegenstandes im weitesten Sinne Einfluss darauf, ob etwas „schön“ oder „hässlich“ empfunden wird. Es sei vielmehr die Art und Weise der Sinnlichkeit und der Sinnhaftigkeit, die dabei eine Rolle spielen.

Handpans sind „sinnlich“, und das nicht nur für die Hände, deren Fingerspitzengefühl beim Spiel gefordert ist. Alle, die diese jungen Instrumente selbst bereits spielen, wissen: Die Klänge und Schwingungen rühren unser Innerstes an. Rhythmen und innere Prozesse finden einen ungewöhnlichen und ganz neuen Ausdruck beim improvisierten Spiel – ohne Regeln.

Die Spielenden kommen in einen natürlichen Fluss – angeregt durch die Spannkraft und Sensibilität, die in das Material harmonisch eingearbeitet wurde. Es gibt kein richtig oder falsch, nur natürliche Grenzen in der Belastbarkeit – vom Blech aber auch vom eigenen Körper.

Handpans sind „sinnhaft“ weil sie uns auf so vielen Ebenen an fundamentale Weisheiten erinnern, und das ganz ohne jegliche Aufdringlichkeit (das Instrument selbst ist stumm- erst durch die Spielenden wird das Leben eingehaucht). Wie bei jedem Musik-Instrument geht es auch beim Handpan darum, eine spezifische Qualität zu entdecken, die immer auf dem Resonanzprinzip beruht.

Dieses Instrument bietet neue Freiheiten, Möglichkeiten und auch Einschränkungen innerhalb derer eine Schwingungserfahrung gemacht werden kann. Das ist von dem her in erster Linie ein physikalisches Erlebnis oder Ereignis in der Interaktion eines Menschen mit einem Gegenstand. Aber wie kommt diese Erfahrung zustande, die bis zur Ekstase reicht? Durch den Impuls des Spielenden. Die Person setzt den Loop selbst in Bewegung.

Handpans sind „cool“. Musik ist nicht zuletzt ein Medium, eine Vermittlerin von metaphysischen Narrativen. Aber völlig unabhängig davon, was nun dieser Inhalt ist: ein (live) musizierender Mensch ist in in hohem Außmaß aktiv, gestalterisch, kreativ. Musik zu kreieren ist eine „Sinn“schaffende Tätigkeit.

Von dem her könnte man (laut dem sehr berühmten Medientheoretiker Marshall Mcluhan) auch sagen: ein Musikinstrument ist ein „kaltes“ (cooles) Medium, bei dem der Rezipient (=Betrachter) mit vielen Sinnen eingeladen oder aufgefordert ist, sich an etwas Spannendem zu beteiligen und dazu, eine Botschaft zu vervollständigen oder zu ergänzen – im Gegensatz zum „heissen“ Medium, bei dem hauptsächlich ein Sinn angesprochen wird und weitergehende sinnliche Eigenaktivitäten unterbunden werden – und das Publikum also kurzgesagt „passiv“ wird.

Dass das Musizieren selbst im Großen und Ganzen „sinnhaft“ ist, werden vermutlich die allermeisten Menschen bestätigen können. Handpans im Speziellen sind Werzeuge um letztlich nur etwas Altbekanntes neu zu entdecken. Musik – und ihr Kern: Harmonie – treten in einer ungewöhnlich neuen Form in Erscheinung. Von der Herstellung bis hin zum performativem Ausdruck sind diese Klangkörper her kurios, anders, inspirierend und laden zu einer tiefergehenden Betrachtung ein.

Handpans, als „kalte“Medien, könnten auch helfen das gesellschaftliche und politische „Klima“ zu stabiliseren. Die – auch durch gezielte Manipulationen an Randgruppen- völlig überhitzte Medienlandschaft droht zu ersticken. Gebraucht werden verantwortungs- und selbstbewusste Menschen, die die Gesellschaft auch tragen können.

Für eine Emanzipation und ein Heraustreten aus der Unmündigkeit braucht es neuronale Schleifen und Verbindungen innerhalb eines Nervensystems. Wir brauchen einen Sinn im Sinn von Bedeutung aber wir brauchen vor allem auch einen Sinn für das Schöne.

“Galatea”, Original in Acryl, photoshopped, Birgit Pestal (c) 2020.
Die Illustration zeigt die allgegenwärtige Harmonie von Grundton, Oktave, Quint in einem Instrument.